(Bonn, 25.1.2018) Wer zählt eigentlich zum Mittelstand? Diese Frage beschäftigte vor mehr als 60 Jahren die Wirtschaftspolitiker der jungen Bundesrepublik – allen voran jedoch Bundeswirtschaftsminister Dr. Ludwig Erhard. Schließlich sollte nun anstelle der Wirtschaftslenkung, wie sie in der nationalsozialistischen Zeit stattgefunden hatte, eine Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung etabliert werden. Und dazu zählten auch Menschen, "die aus eigener Verantwortung und jeder für sich selbst kraft eigener Leistung seine Existenz sicherzustellen bereit ist", so Erhard. Allerdings war es seiner Ansicht nach schwierig, "die Nahtstelle zwischen den politischen und wissenschaftlichen Problemen bei Mittelstandsgesprächen zu finden". Gleichwohl sei es "kein politisches, sondern ein wirtschaftliches Anliegen, die Mittelstandsfrage von einem besonderen Institut durchleuchten zulassen".
Im Frühjahr 1958 startete das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) zunächst an 5 Standorten: Prominente Wissenschaftler standen dabei an der Spitze der jeweiligen Forschungsabteilungen: An der Universität Köln forschten eine betriebswirtschaftliche Abteilung unter der Leitung von Prof. Dr. Rudolf Seyffert, die soziologische Abteilung unter Führung von Prof. Dr. René König und die finanzwirtschaftliche Abteilung unter der Leitung von Prof. Dr. Günter Schmölders. An der Universität Bonn waren es die volkswirtschaftliche Abteilung unter der Führung von Prof. Dr. Fritz W. Meyer und die Abteilung für Konjunkturfragen unter der Leitung von Prof. Dr. M. Ernst Kamp.
Am Anfang standen die definitorische Einordnung des Mittelstands und die Erarbeitung von statistischen Daten im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit. Zugleich entstanden erste Studien zur "Konkurrenzsituation der mittelständischen Unternehmungen", über den Betriebsvergleich sowie zur betriebswirtschaftlichen Schulung und Beratung von mittelständischen Unternehmungen.
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde die wissenschaftliche Tätigkeit der fünf IfM-Abteilungen schließlich auf den Standort Bonn konzentriert. Ein wesentliches Kennzeichen des stets interdisziplinär und unabhängig arbeitenden Institut ist es jedoch zu jeder Zeit gewesen, dass es frühzeitig Themen identifizierte, die später dann auch tatsächlich für die mittelständischen Unternehmen relevant wurden: So veröffentlichte es bereits in den 1970er Jahren Grundsatzstudien zur Gründungslücke, in den 1980er Jahren zur Beschäftigungsentwicklung und im Jahre 2000 zum "Mittelstand im Internetzeitalter".
"Die interdisziplinäre und praxisnahe Forschungsweise des Instituts hat in den vergangenen sechs Jahrzehnten dazu geführt, dass sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Wirtschaftspolitik das Bewusstsein für einzelne mittelstandsrelevante Themen wie beispielsweise Gründungen oder Nachfolgeverhalten gestiegen ist. Auch haben seine Forschungsarbeiten mit dazu beigetragen, dass der Mittelstand in verschiedenen Gesetzen nachhaltig Berücksichtigung gefunden hat.", konstatiert die Präsidentin des IfM Bonn Prof. Dr. Friederike Welter, die zugleich einen Lehrstuhl an der Universität Siegen innehat. "Durch das interdisziplinäre Zusammenwirken innerhalb des Instituts können auch in Zukunft bedeutsame Themen für die mittelständischen Unternehmen antizipiert werden – ganz im Sinne des Satzungsauftrages des IfM Bonn, die ´Lage, Entwicklung und Probleme des Mittelstandes zu erforschen und damit zur Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen´ beizutragen."
Am 30. Januar 2018 feiert das IfM Bonn im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sein 60jähriges Bestehen mit Vertretern des Mittelstands, der Mittelstandsforschung und der Wirtschaftspolitik. Die Chronik "60 Jahre IfM Bonn" ist auf der Homepage des Institut für Mittelstandsforschung (www.ifm-bonn.org) abrufbar.
Text: IfM Bonn
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