Prüfbehörde und Modernisierungstreiber: Zur neuen Rolle staatlicher Finanzkontrolle

AWV-Interview mit Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofs, Darmstadt

Herr Dr. Wallmann, Sie sind Präsident des Hessischen Rechnungshofs. Was genau macht der Hessische Rechnungshof und wie ist er organisiert?

Dr. Wallmann: Der Hessische Rechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen. Die Prüfungsmaßstäbe sind dabei Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Aufbau des Hessischen Rechnungshofs gibt das Aufgabenspektrum des Landes wieder. Das bedeutet, dass die richterlich unabhängigen Senate des Rechnungshofs oft spiegelbildlich zu den Ministerien aufgestellt sind.

Und was ist genau Ihre Aufgabe als Präsident?

Dr. Wallmann: Einerseits bin ich Senatsvorsitzender des 1. Senats. Dieser beschäftigt sich mit dem hessischen Landtag, seinen Fraktionen und mit der Staatskanzlei. Gleichzeitig sitze ich auch dem temporären Flüchtlingssenat vor. Diesen haben wir im Zuge der Flüchtlingskrise Ende 2015 ins Leben gerufen, um eine zeitnahe und effiziente Prüfung der Kosten in diesem Zusammenhang sicherzustellen. Zudem ordnet mir das Gesetz die Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften zu, die allerdings faktisch von meinem Kollegen ­Dr. Keilmann geleitet wird. Weiterhin bin ich Vorsitzender des Landesschuldenausschusses und informiere dabei den Landtag über die jährliche Entwicklung der Schulden. Und von der Hessischen Landesregierung wurde ich 2014 zum Landesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ernannt.

Der Hessische Rechnungshof ist in Abteilungen/Senate organisiert und besitzt eine Kollegialverfassung. Wesentliche Entscheidungen fällt das Kollegium, welches aus den Mitgliedern des Rechnungshofs besteht. Die Mitglieder leiten die Prüfungsabteilungen (© Hessischer Rechnungshof).

Benchmarking als Bewerten unterschiedlicher Lösungen und „Lernen von anderen“ findet derzeit in der öffentlichen Verwaltung nur in Einzelfällen statt. Welche Rolle spielt Benchmarking als Handlungsansatz für den Hessischen Rechnungshof?

Dr. Wallmann: Benchmarking ist vor allem im Bereich der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften für uns relevant, weil wir hier generell vergleichend prüfen, aber auch bei den Querschnittsprüfungen des Hessischen Rechnungshofs spielt es eine Rolle. Wir sehen einen großen Vorteil darin, dass man eine Bewertung mit einem echten, praxiserprobten und nicht nur theoretischen Wert vornimmt. Dies schafft einerseits Akzeptanz bei den Geprüften, weil sie mit einem realistischen Wert bemessen werden. Andererseits löst es Diskussionen innerhalb und zwischen den geprüften Stellen aus, im Sinne von: „Was machen die denn anders, dass es bei denen so viel besser läuft?“. Dadurch können die Voraussetzungen für eine Optimierung von innen heraus geschaffen werden.

Die Rolle des Hessischen Rechnungshofs als reine Rechnungsprüfungsinstanz gehört der Vergangenheit an. Heute versteht sich der Hessische Rechnungshof vor allem auch als Modernisierungstreiber. Welche Faktoren kennzeichnen aus Ihrer Sicht eine moderne Finanzkontrolle?

Dr. Wallmann: Moderne Finanzkontrolle sollte meiner Meinung nach praxisorientiert sein und Transparenz schaffen. Des Weiteren sollten die gegebenen Empfehlungen auch wirklich eine Veränderung initiieren. Sinnvoll ist es, dass die Finanzkontrolle nicht nur im Nachhinein, sondern im Einzelfall bereits vor oder auch begleitend zu einer Entscheidung tätig wird. Dies geschieht bereits beim Hessischen Rechnungshof und auch bei der Überörtlichen Prüfung kommunaler Körperschaften. Vor allem ist es aber der Fall beim Landesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung.

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